Die riesige Kuppel des Reichstages zieht jeden Tag hunderte von Touristen an. Auch eine ausgewählte Gruppe von Radijojo-Kindern darf heute dort hinauf steigen. Aber sie sind natürlich nicht nur als Touristen unterwegs, sondern als Reporter. Denn vor dem Besuch des Bundestages haben sie einen Interviewtermin mit der Abgeordneten Helga Kühn-Mengel. Von der Politikerin bekommen sie viel Lob für ihre Arbeit: „Wenn ihr mitmischen wollt, müsst ihr euch erst einmal informieren. Das macht ihr also genau richtig.“
Zuerst stellt sich Frau Helga Kühn-Mengel vor. Sie ist Politikerin bei der SPD und seit 2013 Bundestagsabgeordnete. Sie erklärt den jungen Reportern, dass sie als Mitglied des Bundestages dafür zuständig ist, Gesetze zu machen – auch für Kinder. Sie selbst beschäftigt sich vor allem mit den Themen Gesundheit und Bildung. Außerdem verrät sie den Kindern, dass sie in der Nähe von Köln wohnt, zusammen mit ihrem Mann, ihren Eltern, ihren Kindern, ihren Enkelkindern, einem Hund, zwei Katzen und drei Kaninchen.
Wïlla hat die erste Frage: „Warum sind Sie Politikerin geworden?“ Helga Kühn-Mengel erzählt, dass sie sich schon immer gerne für andere eingesetzt hat. Sie war in der Schule Klassensprecherin und hat sich auch während des Studiums in verschiedenen Gruppen engagiert. „Ich bin ganz allmählich in die Politik hineingekommen“, sagt die Politikerin, es war eigentlich nie ihr Berufswunsch. Aber sie hat gerne zugesagt, als sie als Abgeordnete vorgeschlagen wurde.
„Wie sieht denn ihr Arbeitstag aus?“ möchte Andrey von ihr wissen. „Ich bin ganz schön viel unterwegs“, berichtet Helga Kühn-Mengel. Eine Woche lang ist sie zu Hause in ihrem Wahlkreis, um sich dort mit verschiedenen Menschen zu treffen, Veranstaltungen zu besuchen, politische Entscheidungen zu erklären und sich die Probleme der Leute vor Ort anzuhören. Danach ist sie dann wieder eine Woche lang in Berlin, diskutiert mit anderen Abgeordneten, berät im Parlament über Gesetze und arbeitet in Ausschüssen zu speziellen Themen. Außerdem bekommt sie jeden Tag sehr viel Post, die sie lesen und beantworten muss. Dafür muss sie jeden Tag sehr früh aufstehen, an normalen Tagen um 5 Uhr morgens, wenn sie von Köln nach Berlin fliegen muss, sogar um 4 Uhr morgens. Auf Hamoudis Frage, ob sie mit ihren Kindern häufig über Politik diskutiert, antwortet sie deshalb: „Ja, wir reden viel über Politik. Meine Kinder sind allerdings nicht ganz so engagiert und wollen auch nicht Politiker werden. Ich glaube, weil sie bei mir sehen, wie anstrengend es ist.“
Die Radijojo-Kinder wollen mit der Abgeordneten natürlich auch über Politik reden. Umut will wissen, was ihre Ziele für die nächsten Jahre sind. „Ich setze mich dafür ein, dass wir in einer friedlichen Gesellschaft leben“, erklärt Frau Helga Kühn-Mengel, „das heißt nicht nur, dass wir keinen Krieg haben, sondern dass alle Menschen in Deutschland die gleichen Chancen haben, egal woher sie kommen.“ „Warum setzen Sie sich für das Thema Bildung ein?“ hakt Hamoudi nach. Die Politikerin erzählt ihm, dass sie früher in einer Einrichtung gearbeitet hat, die versucht, Eltern und Kinder mit Problemen zu unterstützen. „Ich weiß also aus Erfahrung, was Familien für Sorgen haben. Und der wichtigste Gedanke für mich ist: eine gute Ausbildung kann helfen. Das fängt im Kindergarten an, geht in der Schule weiter bis zum Abitur und noch weiter. Jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, möglichst lange zu lernen, auch wenn die Eltern nicht so viel Geld haben.“ Sie kann den jungen Reportern nur empfehlen, wenn sie selbst etwas verändern wollen, so viel Bildung wie möglich mitzunehmen.
Das Thema Bildung ist für die Radijojo-Kinder besonders interessant. „Wie sieht für Sie die perfekte Schule aus?“ ist Hamoudis nächste Frage. Hier hat Helga Kühn-Mengel ganz bestimmte Vorstellungen. Ihrer Meinung nach sollten Lehrer erkennen, was die Stärken der Schüler sind. „Oft sind Kinder vielleicht schüchtern und verstecken ihre Stärken. Aber Lehrer sollten genau hingucken und sich fragen: Was steckt in dem Kind drin.“ An einer perfekten Schule sollte jedes Kind seine Fähigkeiten ausleben können.
Am Ende wollen die Kinder noch etwas persönliches von der Politikerin erfahren. „Was machen Sie in Ihrer Freizeit“, will Andrey von ihr wissen. Frau Helga Kühn-Mengel erzählt ihm, dass sie versucht, so viel Zeit wie möglich mit ihrer Familie zu verbringen. Und sie engagiert sich freiwillig in vielen Vereinen, um anderen Menschen zu helfen. Außerdem liest sie viel und reist gerne, wenn es die Zeit zulässt. „In welchen Ländern waren Sie schon?“ fragt Wïlla nach. „Ich fahre immer gerne nach Italien und Frankreich“, berichtet die Abgeordnete. Außerdem war sie als Politikerin schon in Amerika, um sich dort das amerikanische Gesundheitssystem und die Krankenhäuser anzugucken, und vor kurzem hat sie eine Freundin in der Türkei besucht.
Nachdem alle Fragen beantwortet sind, bedankt sich Andrey bei Helga Kühn-Mengel für das Interview. Nun brennen die Reporter darauf, sich anschauen zu dürfen, wo die Politiker arbeiten. Zusammen mit Aleksandra Ufnal starten sie den Rundgang. Zuerst schauen sie in einen Sitzungssaal rein, in dem normalerweise geheime Sitzungen stattfinden und Politiker über Gesetze diskutieren. Wo sonst die Experten sitzen, nehmen heute die Radijojo-Kinder Platz. Wïlla hat das Wort und macht das Mikrofon an ihrem Platz an: „Ich mache den Vorschlag, dass Schüler längere Sommerferien bekommen.“ Dieser Vorschlag stößt auf Zustimmung. Andrey spricht sich für eine Verlängerung von zwei Wochen aus. Umut schlägt fünf Wochen vor. Eine Einigung kann heute noch nicht erzielt werden.
Die Führung bringt die jungen Reporter zu vielen spannenden Orten, zum Beispiel zu einem Kunstwerk, das „Archiv der deutschen Abgeordneten“ heißt. Jeder Abgeordnete, der jemals in Deutschland gewählt wurde, hat hier einen kleinen, bronzenen Kasten mit seinem Namen. Nur ein Kasten ist schwarz, er steht für die Zeit des Nationalsozialismus und der Diktatur.
Weiter geht es zum Plenarsaal. Davor liegen Anwesenheitslisten, in die sich jeder Abgeordnete an jedem Sitzungstag eintragen muss. Jeder der fehlt, muss eine Strafe von 200 Euro an den Bundestag zahlen, wie Aleksandra Ufnal den Kindern erzählt. „Der wichtigste Mann im Bundestag ist Norbert Lammert“, erklärt sie weiter, „er ist der Bundestagspräsident und führt die Sitzungen. Er darf sogar das Mikro ausschalten, wenn einer zu lange redet.“
Im Plenarsaal stehen außerdem verschiedene Blöcke mit Stühlen für die verschiedenen Fraktionen – für die CDU/CSU als größte Fraktion, für die SPD, die Linke und für die kleinste Fraktion, die Grünen. Die Verteilung der Sitze ändert sich alle vier Jahre, nach jeder Wahl. Dann müssen die Stühle wieder verschoben werden.
Es gibt außerdem drei Türen: eine mit einem Schild „Ja“ darüber, eine mit „Nein“ und eine mit „Enthaltung“. Normalerweise stimmen die Abgeordneten mit Handzeichen ab. Aber wenn es nicht eindeutig ist, müssen die Abgeordneten raus gehen und einzeln durch die Türen kommen, damit genau gezählt werden kann. „Das nennt man Hammelsprung“, erklärt Aleksandra Ufnal.
Beeindruckt sind die Kinder von den Wänden, an die sowjetische Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Namen und Botschaften geschrieben haben, zum Beispiel „gelobt sei die sowjetische Heimat“ oder „gelobt seien die sowjetischen Krieger, die an der Schlacht um Berlin teilgenommen haben.“ Aleksandra Ufnal erklärt, was es mit diesen Inschriften auf sich hat. Genau an diesem Ort haben deutsche gegen russische Soldaten mehrere Tage lang gekämpft, bevor die russischen Soldaten am 2. Mai 1945 den Kampf gewinnen konnten. „Man sieht sogar noch die Einschusslöcher“, Aleksandra Ufnal zeigt auf die Wand. Auf ihre Frage, warum man diese Wand und die Schrift nicht verdeckt hat, meint Andrey: „Das ist ja ein historischer Anblick.“ Und genau das ist der Grund, warum sich die Politiker dafür entschieden haben, die Wand frei zu lassen. „Es soll eine Erinnerung sein“, sagt Aleksandra Ufnal, „es soll zeigen: Wir wollen keinen Krieg mehr.“
Dann führt sie die Kinder an eine Tür. Auf dem Schild daneben steht ein Name: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Nach einigem Zögern trauen sich die Reporter zu klopfen, aber leider macht niemand auf. Da entscheiden sich die Kinder, einen Zettel mit ihren Namen und Fragen dort zu lassen. Vielleicht meldet sich die Bundeskanzlerin ja bei ihnen.
Die Besichtigung führt die Kinder immer höher. Auf der vorletzten Etage befindet sich die Fraktionsebene, auf der jede Fraktion ihren eigenen Raum hat. Hier können sie noch einmal eine kleine Konferenz abhalten.
Und ganz oben befindet sich die Kuppel des Reichstages. Hier endet die Führung und die Kinder haben Zeit, sich Berlin von oben anzugucken.
Gemeinsam erklimmen sie die Spitze des Parlamentsgebäudes, um die Sicht auf das Brandenburger Tor, den Fernsehturm, die Spree und das ARD-Hauptstadtstudio zu bewundern und Fotos zu machen. Auch das gehört zum Leben eines Reporters dazu.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Politikerin Frau Helga Kühn-Mengel für das interessante Interview und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg und alles Gute.